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Die mit [[[  ….     ]]] eingeklammerten Stellen wurden im mündlichen Vortrag nicht ausgeführt!

Sex – crime – drugs – religious education – psycho

Dies alles beinhaltet die biblische Erzählung von David, Batseba und Uria. Sie wird in 2 langen Kapiteln erzählt. Ich weiß nicht, ob und wer diese im Vorfeld gelesen hat.

Will man dem Motto „Tatort Bibel“ gerecht werden, darf man sie auch nicht willkürlich verkürzen – schließlich geht es nicht nur um Täter und Opfer, sondern auch um die Hintergründe, die Folgen und die Aufarbeitung und Verarbeitung der Tat durch Täter und Opfer.

Ich will deshalb diese Geschichte nacherzählen und dabei an wichtigen Stellen Sachinformationen und Erklärungen einfließen lassen. An interessanten Stellen werde ich auch Interpretationsmöglichkeiten und Fragen aufwerfen, die Grundlage für unser anschließendes Gespräch sein können.

In drei Abschnitte lässt sich diese Erzählung einteilen.

Der erste Abschnitt könnte heute in der Regenbogenpresse stehen unter der reißerischen Überschrift „König schwängert Frau eines Untergebenen und heiratet sie“

Der zweite könnte eher einer theologischen, frommen Unterweisung entstammen mit der Überschrift: „Gott überführt einen König seiner Schuld, vergibt und straft ihn“

Und schließlich der letzte Teil, der eher einer psychologischen oder pastoraltheologischen Abhandlung entstammen könnte unter der Überschrift „Die Bewältigung von Schuld und Strafe nach der Vergebung“

 

Beginnen wir mit der „Regenbogenpressegeschichte“, in der Gott überhaupt nicht erwähnt wird. Ob er dennoch darin vorkommt, darüber können wir ja sprechen. Also:

Es war Sommer, die Regenzeit vorbei. Der König David plant, in einem Angriffskrieg die feindlichen Ammoniter, einem Volk im Ostjordanland, zu überrollen. Deshalb schickt er seinen Feldhauptmann Joab mit seinem Heer dorthin [[, um das Land der Ammoniter zu verheeren und deren Hauptstadt Rabba zu belagern.]]][1]

„David aber blieb in Jerusalem.“[2] heißt es. Anders als üblich zieht er nicht mit ins Feld. Eines Tages macht er es sich am Abend auf der Dachterrasse seines Palastes gemütlich. Seine Blicke wandern umher. Da sieht er, wie sich im gegenüberliegenden Haus eine Frau badet. „Die Frau war von schöner Gestalt“[3] Sie erweckt sein Interesse. Er erkundigt sich bei seinem Diener nach ihr und erfährt: Die Dame heißt Batseba, ist Tochter eines gewissen Eliam[4] und mit dem Hetiter Uria, der im Heer Davids dient, verheiratet.

Eigentlich müsste jetzt auch für einen König gelten: Schön und gut. In die Ehe eines anderen, ja eines treu ergebenen Untertans bricht man nicht ein. Darauf steht nach dem mosaischen Gesetz[5] die Todesstrafe – auch für einen König.

David war zudem auch verheiratet– wie damals üblich und erlaubt – mit mehreren Frauen, sogenannten „Hauptfrauen“. Wir kennen ihre Namen: Ahinoam, Abigail, Maacha, Haggit, Abital und Egla.[6], Daneben hatte David noch mehrere Nebenfrauen/Konkubinen.

Doch David „sandte Boten hin und ließ Batseba holen. Und als sie zu ihm kam, schlief er bei ihr“ …Und sie kehrte in ihr Haus zurück.[7] – erzählt die Bibel in schlichten einfachen Worten.
Ein billiger „one-night-stand“ – nichts Schlimmes? Kein Täter und kein Opfer oder?

Metoo gab es damals noch nicht. Es scheint so, als wurde Batseba ein Opfer Davids. Nutzte David seine Machtposition aus- als absolutistischer König, der machen und lassen konnte, was er wollte? Er zitierte Batseba zu sich. Es bleibt allerdings im Dunkeln, was vor und bei dem Geschlechtsverkehr der beiden geschehen ist und gesprochen wurde. Gab es eine Einwilligung von Batseba oder war es eine Vergewaltigung?

Danach kehrt Batseba wieder in ihr Haus zurück. In welchem Gemütszustand? Schuldbewusst, weil sie selbst an diesem Ehebruch aktiv mitgewirkt hat? Oder traurig, traumatisiert, weil sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde und nun nicht weiß, was die folgende Zeit bringen wird?

Ist sie Opfer oder Mit-Täterin oder gar beides?

Die meisten Ausleger gehen davon aus, dass Batseba Opfer der sexuellen Gier und der unkontrollierten Machtausübung des Königs David geworden ist.

Allerdings spricht auch einiges dafür, dass Batseba kein Opfer war, sondern die Situation bewusst herbeigeführt hat. Die jüdische Theologin Ruth Lapide sieht es so. Sie verweist darauf, dass Batseba aus sehr guter Familie stammt und die Enkelin von Ahitofel, dem Berater Davids, war. Ruth Lapide führt dann aus: „Sie (Batseba) hätte sich erstens wehren können und sie hätte, zweitens, nicht unbedingt in nächster Nähe dieses Bad zu dieser Zeit nehmen müssen, also zu einer Zeit, zu der er (David) dort seinen Abendspaziergang macht. …. … Ich glaube jedenfalls nicht daran, dass da nur und ausschließlich Zufälle im Spiel waren…. dass sie (Batseba) möglicherweise selbst das Interesse hatte, ihn zu verführen …“[8].

[[[„Sie hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit“[9], sich also nach der monatlichen Blutung rituell gewaschen“ – bemerkt die Bibel unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr mit David. Dieser kurze Hinweis wird meistens so verstanden, dass Batseba wieder schwanger werden könnte und deshalb der Ehebruch nach Eintreten der Schwangerschaft öffentlich werden könnte. In der Interpretation von Ruth Lapide ist dieser Satz dann Indiz, dass Batseba eine Schwangerschaft ausdrücklich wollte.

Wie dem auch sei: ]]]

Batseba geht anschließend nach Hause. Als nach einem Monat die Menstruationsblutungen ausbleiben, lässt sie David sagen „Ich bin schwanger geworden“[10]

Warum lässt Batseba dies David ausrichten? Will sie David in Verlegenheit bringen? Ihm nach der Vergewaltigung eins auswischen? Oder sieht sie sich in Not? Bittet sie ihn um Hilfe? Wenn Uria im Feld war, wer kann dann der Vater sein? Man wird sie danach fragen. In der Öffentlichkeit zu behaupten, es sei König David – das würde ihr doch niemand abnehmen, sofern David dies bestreitet? Oder führt sie noch etwas anderes im Schilde?

David scheint zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. Ganz Machtmensch versucht er sein Versagen zu verschleiern. [[ Er scheint kein wirkliches Interesse an Batseba zu haben. ]]

David benötigt drei Versuche, um den Verdacht der Vaterschaft von sich abzuwenden. Zwei davon schlagen fehl, als er hofft, dass Uria bei einem von ihm bewilligten Heimaturlaub zu seiner Frau nach Hause gehen wird.

[[[Erster Versuch: Er gewährt Uria[11] Heimaturlaub – aus nichtigen Gründen.[12]. David hofft, dass so auch Uria als Vater des zu erwartenden Kindes angesehen werden könnte. Scheinheilig und mit belanglosen Fragen, lässt er Uria zu sich kommen. „Wie geht’s und wie läuft es an der Front? Du bist doch sicherlich erschöpft vom Kampf! Geh nach Hause! Ruh‘ dich ein wenig aus!“[13]  Zum Abschied überreicht er Uria noch eine militärische Ehrung. Doch Uria verhält sich anders, als es David erwartet.[14] Uria erweist sich als treuer Soldat, treuer Untertan seines Königs. Sein Beruf geht ihm über das Familienleben. Diensterfüllung, soldatischer Corpsgeist ist ihm wichtiger als häuslicher Friede und Sex mit seiner Frau.[15] Er übernachtet im Hof des Königspalasts

David muss auf andere Weise versuchen seine Vaterschaft zu vertuschen.

Zweiter Versuch: David gewährt Uria einen weiteren Tag Heimaturlaub. Er lädt ihn zu einem Essen ein. Dort wendet er nun eine perfide List an: Er alkoholsiert Uria in der Hoffnung, dass dieser dann nach Hause geht und „im Suff“ mit seiner Frau schläft.[16]

Aber auch das klappt nicht. Uria weigert sich, sich zu Hause auszuruhen und bleibt wiederum am Hof.]]]

Schließlich bleibt David nur noch die absolute, harte Methode: Er muss Uria aus dem Weg räumen. Er schickt Uria mit dem eigenen Todesurteil im Gepäck zurück an die Front. In der verschlossenen Post befiehlt David seinem Heerführer Joab, er solle Uria im Gefecht so einsetzen, dass dieser an vorderster Front fällt. Und noch mehr: David will den Vollzug dieser Anordnung durch Joab bestätigt bekommen. Schlau wie er nun mal ist so, dass dies keiner merkt. Der Bote, der mit schlechten Nachrichten von der Front zu ihm kommen soll, soll nur in einer Nebenbemerkung erwähnen, dass auch Uria im Kampf gefallen ist.
Als eine Art Mitwisser sitzt deshalb hier auch der Heerführer Joab mit im Boot.

Frage: ist Joab nun auch „Mittäter“?

Joab setzt den Befehl Davids in die Tat um. Davids Vertuschungsversuch gelingt. [[[ Als der Bote David die Nachricht überbringt, gibt er ihm folgenden – zynischen – Ratschlag für Joab mit auf den Rückweg: „Nimm die Sache nicht so schwer! Das Schwert holt sich bald diesen, bald jenen. Nur Mut! Kämpfe noch entschiedener gegen die Stadt, bis sie zerstört ist! [17] ]]]

Jetzt erfährt die Frau des Uria (der Name Batseba fällt hier nicht!!) vom Tod ihres Mannes und hält Totenklage.[18]

Nach einer angemessenen Trauerzeit (vermutlich nicht allzu lange, damit später kein Verdacht entsteht!), macht David Batseba zu seiner Frau. Wie das auf Außenstehende gewirkt hat, ist nicht ganz klar. Jedenfalls werden viele dies auch als „soziale Tat“ des David verstanden haben. David sicherte auf diese Weise einer Witwe ein weiteres gutes Leben.

Ganz nüchtern wird dann von der Geburt des Sohnes erzählt. Vermutlich hat niemand richtig nachgerechnet oder nachrechnen wollen, ob die Zeugung vor oder nach der Heirat von David und Batseba erfolgte.

Ruth Lapide erkennt hierin schon einen Teilerfolg Batsebas. Nach ihrer Meinung will Batseba mit David einen Thronfolger zeugen und hat dazu die Zeit klug genutzt, in der David seine Thronnachfolge noch nicht geregelt hatte, ja wegen seiner vielen Frauen und deren Söhnen damit ein wenig überfordert war. Jetzt ist Batseba immerhin mit den anderen Frauen Davids und deren Söhnen „auf einer Startlinie“ – so Lapide.

 

„Aber dem HERRN missfiel die Tat, die David getan hatte.“ – mit diesen Worten beginnt der zweite Teil, eine religiöse Unterweisung und theologische Belehrung.

„Dem HERRN missfiel die Tat, die David getan hatte.“ – heißt es kurz und knapp. David hatte das 6. Gebot gebrochen. Oder muss man es drastischer sagen: David hatte nicht genug an den Frauen, die ihm der HERR gegeben hatte. Außerdem hatte er für die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse einen Untergebenen ermorden lassen.

Wie reagiert Gott auf Übertretungen seiner Gebote und Anweisungen? Was ist Gott wichtig im Umgang mit „Tätern“ / „Straftätern“ Was tut er für die Opfer?

Ein Dreifaches zeigt sich mir im Fortgang dieser Geschichte.

Erstens: Gott will die Opfer zu ihrem Recht kommen lassen

Zweitens: Gott spricht nicht nur einfach ein Urteil über den Täter, sondern will den Täter zur Einsicht in sein Fehlverhalten bewegen

Drittens: Gott straft und vergibt. Besser umgekehrt: Er vergibt und straft!!

 

Erstens: Gott will die Opfer zu ihrem Recht kommen lassen.
Geschehenes und erlittenes Unrecht soll nicht verdeckt oder unausgesprochen bleiben oder einfach in der Versenkung verschwinden. Erlittenes Unrecht soll benannt und den Tätern ins Bewusstsein gebracht werden und gegebenenfalls „erinnert“ werden, damit die Opfer nicht bedeutungslos und namenlos werden.

Deshalb schickt Gott den Propheten Natan zu David. Natan spricht das Vergehen Davids offen an und setzt einen Bearbeitungs- und Aufarbeitungsprozess in Gang. Davids Vergehen bleibt nicht im Verborgenen. Das den Opfern angetane Unrecht kommt zur Sprache. Es geht nicht so weiter, als wäre nichts geschehen!

Darin kündigt sich schon das Zweite an:

Natan handelt äußerst intelligent.   [[[Er fällt nicht einfach mit der Tür ins Haus und kündigt an, dass nach Gottes Gebot auch Königen nicht alles erlaubt ist. Dass Gott auf der Seite der Armen steht und für das Recht von Schwachen und Unterdrückten eintritt. So verhielten sich ja viele Propheten später – Amos und andere. Sie traten öffentlich auf und klagten die Führungsschicht an – mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Hätte Natan so gehandelt, wäre die Reaktion des David klar gewesen:

Er hätte seine Macht ausspielen können, um diesen „Nörgler“ unschädlich zu machen – verhaften, einsperren, des Landes verweisen oder anderes. ]]]

Ganz clever bringt Natan durch eine geschickte Gleichniserzählung David zur Selbsteinsicht.

Natan erzählt David eine Geschichte, die vordergründig gar nichts mit dem Verbrechen Davids zu tun hat.
Ein reicher Mann hat eine große Schaf- und Rinderherde. Neben ihm versorgt ein armer Mann seine Familie mit einem einzigen Schaf. Der Reiche erhält Besuch und will für diesen ein opulentes Mahl bereiten – allerdings nicht vom Fleisch aus seiner eigenen Herde. Stattdessen beschlagnahmt er einfach das Schaf des Armen für die Zubereitung der Mahlzeit.
David hört Natan interessiert zu. Am Ende bricht es aus ihm heraus: „Wer war das? So wahr der HERR lebt – dieser Reiche soll dafür sterben und dem Armen soll sein Verlust vierfach erstattet werden, weil dem Reichen das Mitleid gefehlt hat“[19].

David merkt gar nicht, dass er sich damit selbst das Urteil spricht.

„Du bist der Mann!“ – sagt ihm Natan ins Gesicht. Und dann kündet er David an: Das „Schwert“ – also Gewalt – wird zukünftig in Davids Familie Opfer suchen, aus der eigenen Königsfamilie heraus wird sich Unglück entwickeln, die Frauen und der „Harem“ Davids werden öffentlich bei hellem Licht einem anderen zur Verfügung gestellt und das mit Batseba gezeugte Kind wird sterben.

Natan fügt sofort die Frage hinzu: Warum hast du, David das Wort des Herrn nicht beachtet? Ich finde diese Nuance interessant und wichtig.

Natan spricht zunächst nicht von der Übertretung der Gebote Gottes. Natan hält David zunächst nicht seine Defizite vor. Er spricht ihn auf seine ihm von Gott gegebenen Ressourcen an. Er erinnert David an Gottes Wort, Gottes Zusage an ihn: “ Ich habe dich zum König über Israel gesalbt und dich vor den Nachstellungen Sauls gerettet.

Ich habe dir den ganzen Besitz deines Herrn gegeben, habe seine Frauen in deinen Schoß gelegt und dich zum König über Juda und Israel gemacht. Und wenn das noch zu wenig war, hätte ich dir noch dies und das geben können.“
„Warum hast du dieses Wort des Herrn verachtet?“ [20]fragt Natan David und weist ihn damit auf seine Sünde hin.

Sünde ist im Kern also Misstrauen gegenüber Gottes Verheißungen und Zusagen. Sünde ist der Versuch des Menschen, aus Angst zu kurz zu kommen selbst Gott sein und Gott spielen zu wollen. Sünde ist der – meist aus Angst oder Überheblichkeit – entstandene Versuch des Menschen, sich selbst seine Lebensressourcen geben zu wollen und dabei zu vergessen,  dass das Leben Geschenk Gottes ist. Aus dieser Sünde folgen dann sündhafte Taten, Sünden.

Mit seiner Frage trifft Natan David offensichtlich ins Herz. Deshalb bekennt David ohne Umschweife und Ausreden: „“Ich habe gesündigt gegen den HERRN“.  [[Ob er ahnt, dass die aus seiner Sünde hervorgehenden Tat eigentlich todesstrafenwürdig ist? Im biblischen Text steht nichts darüber. ]]

Die Reaktion Natans überrascht: „So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.“

Du wirst nicht sterben – in diesen Worten bahnt sich eine Einsicht an, die sich im Laufe der biblischen Geschichte immer klarer herauskristallisiert: Die Unterscheidung zwischen der Person des Täters und seiner Tat, zwischen einem Menschen als Person und seinem. Der Täter als Person, als Mensch, soll und darf leben. Er wird nicht auf seine Tat reduziert. Und deshalb darf er trotz todeswürdiger Verbrechen leben!

Deshalb kann m.E. aus gesamtbiblischer Sicht die Todesstrafe nicht gerechtfertigt werden– auch wenn es manche Stellen gibt, die der Todesstrafe das Wort reden. In der hebräischen Bibel zeigt sich dieser „Strang“ gegen die Todesstrafe z.B. auch beim Propheten Hesekiel, bei dem es heißt: „Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?“[21]. Im Neuen Testament kennen wir die Geschichte in der Jesus die Ehebrecherin vor der Steinigung und damit der Todesstrafe verschont.[22]

David wird seine Sünde vergeben. Er muss nicht aufgrund seines Vergehens sterben.

Und wie geht es nun weiter? Vergeben – vergessen – alles wieder in Ordnung und Friede, Freude, Eierkuchen? So wird ja häufig Vergebung der Sünden und zwischenmenschliche Vergebung dargestellt. Vergib mir und „Schwamm drüber“. Gott vergibt – alles ist wieder gut.

Wir wissen alle, dass das nicht so einfach geht.

So einfach kommt auch David nicht davon. Der Prophet Natan fügt der Zusage der Vergebung hinzu: „Weil du aber durch diese Tat den HERRN verworfen hast, muss der Sohn, der dir geboren wird, sterben“ [23]

David wird von Gott gestraft. Nach einer schweren Erkrankung stirbt der Sohn aus dem Seitensprung mit Batseba. Und später wird auch das noch folgen, was Natan als weitere Strafen Gottes angekündigt hat: Die Königsfamilie Davids zerstreitet sich untereinander. Absalom, der Sohn Davids, versucht mit List und Gewalt seinen Vater vom Thron zu stürzen. In diesem Zusammenhang vergreift sich Absalom  – wie vorhergesagt – öffentlich an Davids Frauen. Alles späte Resultate und Folgen von Davids Fehlverhalten.

Ich weiß, dass es für uns heute schwer ist, solche Folgen als „Strafe Gottes“ zu deuten. Ich bringe es gedanklich auch nicht auf die Reihe. Darüber müssen wir miteinander sprechen. Auch über die Frage, ob Gott abseits aller Folgen von Unrecht ist.
Vielleicht müsseb wir uns aber von einem Bild vom „lieben Gott“ verabschieden, der durch Vergebung einfach alles wieder sofort „geradebiegt“ und eine heile Welt schafft. Das halten ebenso wenige für wahr wie die Rede davon, dass die Folgen einer Unrechtstat „Strafe Gottes“ sind.

Dennoch können wir Menschen diese Folgen nicht einfach wegdiskutieren oder schön reden. Aber wir können und sollen meiner Meinung nach aus dem Glauben heraus verantwortlich damit umgehen. Denn Gott ist beim Erleiden und der Verarbeitung von schlimmen Folgen von Unrecht und Verbrechen nicht außen vor.

Die Theologin Dr. Clara Buttin hat Nachdenkenswertes dazu gesagt:

“Wenn David seine Sünden vergeben werden, tilgt das nicht seine Schuld. Die Vergebung der Sünden löst ihn aus der zwanghaften Verstrickung in seine Untaten. David ist nicht festgelegt auf das, was er einmal getan hat. Er wird handlungsfähig, und kann auch erneut auf Gottes Unterstützung hoffen. Neues Leben wird möglich. Doch die Schuld ist damit nicht beseitigt. Die Schuld, die durch Gewalt und Zerstörung entstanden ist, wird durch die Vergebung der Sünden, die die Täter erbitten, nicht aus der Welt geschafft. Denn die Vergebung, die Gott gewährt, tilgt nicht die Verletzungen, die anderen Menschen zugefügt wurden. Im Gegenteil. Wenn Gott einem Menschen seine Sünde vergibt, befähigt er ihn dazu, mit der Zerstörung von Gemeinschaft, die seine Untaten bewirkt haben, als seiner Schuld verantwortlich umzugehen. Gott ermöglicht dem Täter die Folgen seiner Untat als seine Verantwortung anzunehmen und daran zu arbeiten, damit Heilung geschieht.“[24]

In diesem Sinne ist m.E. die ausführliche Erzählung vom Verhalten Davids nach der Erkrankung seines Sohnes aus der mittlerweile legitimierten Erzählung zu Batseba zu verstehen. David befällt große Sorge um seinen Sohn. Er fastet, betet zu Gott, legt sich zum Schlafen nachts auf den „nackten Boden“ – er kasteit sich also, um so den Sohn zu „retten“. Niemand, auch seine engsten Vertrauten können ihn davon abhalten.

Ich denke, David lernt hier Anteilnahme und Empathie für das Leid und die Not der Armen und Schwachen.

Als David dann vom Tod seines Kindes erfuhrwusch er sich und salbte sich und zog andere Kleider an und ging in das Haus des HERRN und betete an. Und als er wieder heimkam, ließ er sich Speise auftragen und aß.“[25]. David merkt und spürt, dass er nicht die Größe und Macht hat, den Tod des Sohnes aufzuhalten, also Gott spielen muss. Er darf dennoch weiterleben, muss sich dabei aber nicht ständig „kasteien“ und „fasten“, sondern darf ein „normales“ Leben führen.

Eugen Drewermann bemerkt:

»An dieser Stelle lässt sich vom König menschlich Entscheidendes lernen Nicht die mutwillige Zerstörung des Glücks, sondern das Ja zum Glück trotz Schuld soll die Art sein, Verbrechen zu sühnen …; nicht ein weniger an Leben sondern ein mehr an Intensität soll die begangenen Untaten aufwiegen“[26]

So endet die Erzählung wie folgt: „Dann ging David zu Batseba, seiner Frau, und tröstete sie. Er schlief mit ihr und sie bekam wieder einen Sohn. David gab ihm den Namen Salomo. Und der Herr liebte ihn“

Salomo, der Thronnachfolger Davids, ist geboren, ein Kind in der Gnade Gottes.

Noch ein Wort zu Batseba: Durch die Geburt ihres zweiten Kindes kann sie – nach der Auslegung von Ruth Lapide – ihr ursprüngliches Vorhaben weiterverfolgen. Noch auf dem Sterbebett Davids luchst sie [[[auf Anraten des Natan[[ dem ihm folgende Zusage ab: „Ich – David – will heute tun, wie ich dir geschworen habe bei dem Herrn, dem Gott Israels, als ich sagte: „Salomo, dein Sohn, soll nach mir König sein, und er soll für mich auf meinem Thron sitzen.“[27]. Wie intrigant hier Batseba die Söhne der anderen Frauen Davids, ihrer „Konkurrentinnen“, ausstach, ist eine andere interessante weitere Erzählung und in 1. Könige 1 nachzulesen.[28]

[[[ Diese Sicht Batsebas wird von der historisch-kritischen Bibelforschung unterstützt. Diese vermutet mit guten Gründen, dass die Erzählung 1. Samuel 11+12 verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen hat. Ursprünglich wurde nur Kapitel 11 bis zur Geburt des außerehelischen Sohnes von Batseba und David erzählt mit der Bemerkung von 12,24, dass dieses Kind von David den Namen Salomo erhielt erhielt und Gott ihn liebte „Erst später wurde mit dem Einschub der Nathans-Rede und dem Tod des ersten Kindes Davids Bestrafung einerseits und Davids Reue andererseits hervorgehoben. Zudem wird dadurch „vom späteren Thronfolger Salomo der direkte Makel einer unehelichen Herkunft notdürftig entfernt“ [29]]]]

 

 

[[[  Interessante künstlerische Darstellung dieser Geschichte:

MARC CHAGALL: DAVID und BATHSEBA , Farblithographie 1956

Quelle: https://www.flickr.com/photos/centralasian/7075984799

Beschreibung:

Das Bild zeigt König David und Bathseba, die biblische Mutter des König Salomo von Israel.

Bei diesem Bild verschieben sich die Dimensionen. Die rechte Gesichtshälfte von Bathseba wirkt wie die linke von David und umgekehrt. Die männliche Hand im Vordergrund beherrscht das untere Bilddrittel. Die Haare werden durch den rotgelben Engel und die Frauenfigur ersetzt. Lediglich Davids Gesichtshälfte weist Barthaare an Lippen, Kinn und Wange auf. Der Mund in der Mitte verstärkt das Zusammengehören beider Gesichtshälften
Linke Bildhälfte: ein (liegender?) Buch lesender Mensch links oben, ein zweiter Engel neben der Wangenhälfte und zwischen Hand und Kinn ein „Knäuel“. Oben in der Mitte Häuser.

Deutungsansätze
Batseba und David in eins! Fast Janusköpfig! Männliche und weibliche Seite in David und in Batseba: Machtbewusstsein und Einfühlungsvermögen, Härte und Milde  ….

Zwei Engel –
Über dem Kopf der „Schutzengel“, der vor dem Tod bewahrt
an der Seite in Brauntönen entweder ein Verführungsengel oder der Engel mit dem Gesicht des Uria?

Links zwischen der violetten und gelb-braunen Hand des David und seinem Kinn ein undurchdringliches „Knäuel“ – die Verstrickung??  Oder sind es „Kindergesichter“?

Verschiedene Farben der Finger der Hand: Braun-orange eher die „schwere“, harte Seite, violett die reumütige, offene Seite??   ]]]

 


[1] Der Hintergrund wird in 2. Samuel 10 so beschrieben: Der neue König von Ammon, Hanun, hatte das Angebot Davids, einen Freundschaftspakt mit den Ammonitern zu schließen, schändlich missachtet. Die Ammoniter kämpften mit Unterstützung der Aramäer gegen Israel, mussten eine Niederlage einstecken. David will jetzt offensichtlich dem ganzen Treiben der Ammoniter durch deren Zerstörung Einhalt gebieten.

[2] 2. Samuel11,1c

[3] So in der Lutherübersetzung. Einheitsübersetzung: „Die Frau war schön anzusehen“

[4] Anders ausgesprochen auch: Ammiels. Ihr Großvater war Ahitofel, der Hauptberater von König David.(2. Sam 16,23), der später zu Davids Gegner Absalom überlief und ihm den Rat gab, Davids Harem öffentlich in Besitz zu nehmen, um damit seine Königtum zu unterstreichen. Das schlug jedoch fehl und Ahitofel beging Selbstmord, um der Bestrafung Davids zu umgehen. (2. Sam 17,23).

Vielleicht wollte Ahitofel mit seinem Rat an Absalom sich spät an Davids Vergehen an seiner Enkelin Batseba rächen.

[5] 3.Mose 20,10

10 Wenn jemand die Ehe bricht mit der Frau seines Nächsten, so sollen beide des Todes sterben, Ehebrecher und Ehebrecherin, weil er mit der Frau seines Nächsten die Ehe gebrochen hat.

5.Mose 22,22

Wenn jemand dabei ergriffen wird, dass er einer Frau beiwohnt, die einen Ehemann hat, so sollen sie beide sterben, der Mann und die Frau, der er beigewohnt hat; so sollst du das Böse aus Israel wegtun.

[6] 2, Samuel 3, 1-5

[7] 2. Samuel 11,4

[8] In: Alpha-Forum-extra: Batseba – Die Meisterverführerin .Ruth Lapide im Gespräch mit Dr. Walter Flemmer  Sendung vom 14.12.2001, 20.15 Uhr als download unter https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/ruth-lapide-batseba-gespraech100.html

Ich finde es interessant, dass eine Frau (!!) eine solche Auslegung vornimmt! Ansonsten wird in der Exegese von Frauen immer die „männerbetonte“ Perspektive dieser Erzählung betont, in der Frauen im wahrsten Sinne des Wortes nur „Neben SACHEN“ sind.

[9] 2. Samuel 11,4b

[10] 2. Samuel 11,5

[11] Name Uria bedeutet „Das Licht Jahwes“ oder „mein Licht ist Jahwe“

[12] 2. Sam 11,6+7

[13] 2. Sam 11, 7+8

[14] 2. Sam 11,9

[15] 2. Sam 11,10+11

[16] 2. Samuel 11,12+13

[17] 2. Samuel 11,25

[18] Ruth Lapide übersetzt sogar „Batseba lässt Uria betrauern“. „Ob sie ihn selbst auch betrauert hat, weiß man allerdings nicht“ a.a.O.

[19] 2. Samuel 12, 6 in der Einheitsübersetzung und nach der Guten Nachricht Übersetzung

[20] 2. Samuel 12,7+8 Gute Nachricht

[21] Hesekiel 18,23; analog 18,32: Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben.

[22] Johannes 7,53 – 8,11

[23] 2. Samuel 12, 14

[25] 2. Samuel 12, 20. Ruth Lapide: „… er sagte: „Ich werde einmal zu ihm gehen, aber es kommt nicht zu mir zurück!“ Das ist eigentlich die Trauerrede, die bis heute am Grabe von verstorbenen Kinder gehalten wird. Er sagt also: „So lange noch etwas zu machen war, als das Kind krank war und eventuell aus verschiedenen Gründen noch gerettet werden konnte“ – heute würde man sagen, dass das Kind vielleicht aus medizinischen Gründen oder aus Glaubensgründen noch zu retten war – „habe ich mit bis zum Äußersten bemüht. Jetzt ist es aber gestorben. Ich fange neu an!“. Er unternimmt also einen Neubeginn.“ a.a.O.

[26] Zitiert nach Leseprobe von Georg Hilger, Elisabeth Reil, Reli10. Lehrerkommentar S. 20  aus https://bilder.buecher.de/zusatz/08/08917/08917024_lese_1.pdf

[27] 1. Könige 1, 3

[28] Die Frage, wer auf dem königlichen Thron sitzen wird, wird erzählerisch wie folgt gelöst: „Amnon, Davids Erstgeborener, wird ein Opfer seiner Zügellosigkeit; Absalom ein Opfer seiner ehrgeizigen Pläne. Die immerhin diskutable Möglichkeit, dass ein Nachkomme Sauls die Nachfolge Davids antreten könnte, scheidet aus. Nun tritt endlich der spätgeborene Salomo in den Gesichtskreis; sein älterer Stiefbruder Adonja wäre wohl der legitimere Kronprätendent gewesen, aber im letzten Augenblick ist es Nathan und Bathseba gelungen, die Thronbesteigung Salomos durchzusetzen. Der Rivale Adonja ist von Salomo beseitigt worden“ G.v.Rad, Theologie des Alten Testaments Bd. 1 , 1969 S. 325